Dienstag, 20. März 2012

Custom-Made (Bike) und Widerrufsrecht. Passt das zusammen?

Immer wieder fragen uns Fahrrad-Händler, ob denn bei individuellen Fahrrad-Konfigurationen im Onlineshop das gesetzliche Widerrufsrecht für den Endverbraucher gilt. Der Kunde will ja eben dann nicht das Fahrrad "von der Stange", sondern ein möglichst individuell zugeschnittenes. Dieser Kundenwunsch betrifft nicht nur High-End MTBs und Rennmaschinen der gehobenen Preisklasse, sondern sehr häufig auch Trekkingbikes und Citybikes, die mit individuellen Lackierungen und Anbauteilen ausgestattet werden können.
(Beispiel: www.lpm-fahrrad.de)

Für den Händler bedeutet ein solches Custom-Bike auch immer einen teilweise erheblichen Mehraufwand. Wenn der Kunde z.B. eine andere Bereifung wünscht, müssen auch bei einem Standard-Modell hierzu die normalen Laufräder erstmal komplett demontiert werden, danach die Bereifung abgezogen und die neue Bereifung montiert werden. Dies geht oft genug einher mit neuer Justierung der Bremse und Schaltung. Dies führt dann irgendwann unweigerlich zu der Frage, ob denn ein Kunde ein solches Rad wie bei jedem anderen Artikel ohne weitere Begründung zurückgeben kann.

Wir haben zu dem Thema einen auf Onlinerecht spezialisierten Rechtsanwalt gebeten, hierzu mal eine Kurz-Expertise zur Verfügung zu stellen, die wir hiermit veröffentlichen: 

******************************

Ausschluss des Widerrufsrechts im Onlinehandel

Ein Ausschluss des gesetzlichen Widerrufsrechts für Verbraucher im Onlinehandel kommt in Betracht, wenn das zu liefernde Produkt „nach Kundenspezifikation angefertigt“ oder „eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten“ ist. Die Rechtsprechung urteilte in den wenigen zu dieser Thematik entschiedenen Fällen mit einer sehr verbraucherfreundlichen Tendenz. So hat das OLG Frankfurt entschieden, dass z.B. ein individuell konfiguriertes Notebook („Baukastensystem“) nicht vom Widerrufsrechts ausgeschlossen ist. Der BGH bestätigte dieses Urteil.

Begründung:Der BGH ist der Meinung, dass das Widerrufsrecht des Verbrauchers nur dann wegen Anfertigung der Ware „nach Kundenspezifikation“ ausgeschlossen ist, wenn der Unternehmer durch die Rücknahme von auf Bestellung angefertigter Ware erhebliche wirtschaftliche Nachteile erleidet. Diese Nachteile müssen damit zusammenhängen und dadurch entstehen, dass die Ware erst auf Bestellung des Kunden nach dessen besonderen Wünschen angefertigt wurde. Das wiederum ist nur der Fall, wenn
  • die vom Kunden gewünschte Anfertigung der Ware nicht ohne weiteres rückgängig gemacht werden kann;
  • die Wünsche des Verbrauchers, nach denen die Ware angefertigt wird, die Ware so sehr individualisieren, dass diese für den Händler im Falle ihrer Rücknahme deshalb (wirtschaftlich) wertlos ist, weil er sie wegen der besonderen Gestaltung anderweitig nicht mehr oder nur noch mit erheblichen Schwierigkeiten oder Preisnachlässen absetzen kann.
Als Faustformel gilt: Lässt sich die Ware ohne Einbuße an Substanz und Funktionsfähigkeit ihrer Bestandteile mit verhältnismäßig geringem Aufwand wieder in den Zustand vor der Anfertigung versetzen, liegt schon eine das Widerrufsrecht des Verbrauchers ausschließende Anfertigung „nach Kundenspezifikation“ nicht vor. Auch einen Arbeitsaufwand für die Demontage der Einzelteile in Höhe von 5 % des Verkaufspreises hat der BGH für den Händler als zumutbar angesehen.
Letztlich kommt es immer auf den Einzelfall an, ob trotz der Auswahlmöglichkeiten des Kunden ein fertiges Produkt verkauft wird oder eine Bestellung „nach Kundenspezifikationen“ vorliegt.

Für die Fahrradbranche folgt daraus: Kein Ausschluss des Widerrufsrechts, wenn der Kunde sich lediglich aus einem „Baukastensystem“ von standardisierten Einzelteilen sein Fahrrad zusammenstellt. Werden die Leistungen individuell bestellt (z.B. individuelle Lackierung eines Rahmens), liegt schon eher eine Anfertigung „nach Kundenspezifikation“ vor. Auch hier wird man aber im Einzelfall unterscheiden müssen, ob es sich bei der Lackierung tatsächlich um eine ausreichende Individualisierung handelt, oder ob dem Kunden beispielsweise nur eine Auswahl aus vier „Standardlackfarben“ (z.B. schwarz, weiß, rot, blau) angeboten wird. Letzteres spricht eher wieder für ein „Baukastensystem“, das ein Widerrufsrecht niht ausschließt.

Auf Nummer sicher geht nur der Onlinehändler, der z.B. bei der gewünschten Lackierung eine individuelle Anpassung zur Bedingung macht, so dass an den Merkmalen „nach Kundenspezifikation“ bzw. „eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten“ keine vernünftigen Zweifel bestehen können.

Praxistipp:
Liegt eine Bestellung „nach Kundenspezifikation“ vor, muss der Kunde im Rahmen der Widerrufsbelehrung auf den Ausschluss seines Widerrufsrechts ausdrücklich hingewiesen werden.
******************************

Autor: Carsten-Helmut Steen (Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz)
www.kst-recht.de


Herzlichen Dank an Herrn Steen für die Ausführungen!

Labels: , , , , , , , , ,

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite